Das Archiv brennt – The Key in the Hand
The Key in the Hand von Chiharu Shiota, Venedig Biennale 2015
Meins Verständnisses nach ist das Anliegen von Didi-Huberman auf die Lücken und Fehlerhaftigkeit des Archives aufmerksam zu machen. Zu meiner ausgewählten Arbeit sind folgende Parallelen sichtbar:
Die Schlüssel verkörpern den Speicher von Erinnerungen. Diese werden ihnen von den Menschen zugeordnet. Weiters ist ihr praktischer Nutzen Dinge zu beschützen die für Menschen wichtig sind.
Die menschliche Vernetzung zu den Erinnerungen werden durch den roten Garn dargestellt. So bildet die Arbeit ein kollektives / globales Gedächtnis ab. Die beiden Bote symbolisieren zwei Hände, welche die Erinnerungen aufzufangen versuchen.
Das erinnert stark an ein Archiv. Viele einzelne Erinnerungen werden versucht zu konservieren.
Ausserdem erzählen Kinder erzählen auf Videos über Erinnerung vor/nach der Geburt. Diese Erzählungen sind ein Gemisch aus Realität und Fantasie. Genauso wie in einem Archiv nie die “absolute Wahrheit” stehen wird.
Benjamin Frey
Das Archiv brennt
Rapture (2015), Camille Norment
In dieser Arbeit konfrontiert Camille Norment historische Bewegungsbahnen mit der zeitgeistlichen Reflektion über gegenwärtige Spannungen und Unsicherheiten unserer Zeit.
Was den historische Teil angeht, bedient sie sich vorhandenem Wissen aus dem Archiv. Dieses repräsentiert nur einen Teil, beinhaltet aber nie die Gesamtheit der Geschehnisse und der Denkarten dieser Zeit.
Selbst schafft sie (Camille Norment) etwas, was wieder zum Archiv wird, dies ist ebenfalls nur ein Fragement, eine Ansicht, ein möglicher Umgang mit diesem Thema.
Fiona und Gregor
Wittgenstein und Zen
Wittgenstein schrieb im Vorwort seines Buches “Tractatus logico-philosophicus” u.a folgendes: Das Buch behandelt die philosophische Probleme und zeigt – wie ich glaube – dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Missverständnis der Logik unserer Sprache beruht. Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.
Nun interessiere ich mich aber besonders für Phänomene, die nur schwer in Worte zu fassen sind und die sich einer wissenschaftlichen Grundlage meistens entziehen. Deswegen habe ich mich für die Lektüre von Eugen Herrigel’s Buch “Zen in der Kunst des Bogenschiessens” entschieden, um auf das Schweigen von Wittgenstein eine mögliche Antwort zu geben.
Herrigel war ein deutscher Philosoph, der laut Daisetz T. Suzuki, ein japanischer Autor von Büchern über den Zen-Buddhismus, einer der ganz wenigen Nicht-Japaner war, der das Wesen des Zen erfasst hattte und in seinen Schriften diese östliche Erfahrung die sich Zen nennt, dem westlichen Leser erfahrbar machen konnte.
Daisetz T. Suzuki verfasste die Einleitung des Buches von Herrigel und schrieb dort u.a. folgendes über das Zen:
Zen ist “das tägliche Bewusstsein”, wie Baso Matsu (gestorben 788) es ausdrückt. Dieses “tägliche Bewusstsein” ist nichts anderes als “schlafen, wenn man müde ist, essen wenn man hungert”. Sobald wir nachdenken, überlegen und Begriffe bilden, geht das ursprünglich Unbewusste verloren und ein Gedanke taucht auf. Wir essen nicht mehr, wenn wir essen, schlafen nicht mehr, wenn wir schlafen. Der Bogen ist abgeschossen, aber er fliegt nicht gerade zur Scheibe hin, und die Scheibe steht auch nicht dort, wo sie stehen soll. Der Mensch ist ein denkendes Wesen, aber seine grossen Werke werden vollbracht, wenn er nicht rechnet und denkt. “Kindlichkeit” muss nach langen Jahren der Übung in der Kunst des Sich-selbst-Vergessens wieder erlangt werden. Ist dies erreicht, dann denkt der Mensch und denkt doch nicht. Er denkt wie der Regen, der vom Himmel fällt; er denkt wie die Wogen, die auf dem Meere treiben; er denkt wie die Sterne, die den nächtlichen Himmel erleuchten; wie das grüne Laubwerk, das aufspriesst under dem milden Frühlingswind. Er ist in der Tat selbst der Regen, das Meer, die Sterne, das Grün. Hat der Mensch diese Stufe der “geistigen” Entwicklung erreicht, ist er ein Zen-Meister des Lebens.
Vanessa
Trakl & Wittgenstein
O, warum ist mir zumute, als schrieb ich ein Gedicht, wenn ich Philosophie schreibe? – Ludwig Wittgenstein
Der Unternehmer und Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889 bis 1951) stellte von Ficker einen großen Geldbetrag zur Förderung notleidender Dichter zur Verfügung. Trakl sollte neben Rainer Maria Rilke (1875 bis 1926) 20 000 Kronen erhalten, die alle seine Geldnöte für Jahre behoben hätten,[…] selbst bei den Unsummen, die Trakl für Alkohol und andere Drogen verbraucht. […] Doch er sah sich außerstande, das Geld abzuholen, begann vor dem Bankgebäude zu zittern und vermochte die Schwelle nicht zu übertreten. […] Dann beginnt der Erste Weltkrieg. Trakl kommt als Apotheker nach Galizien an die Front. In der Schlacht bei Grodek hat er 90 Schwerverletzte zu betreuen und will sich erschießen. Man bringt ihn nach Krakau in die Psychiatrische. […] An Wittgenstein selbst richtete Trakl zu dieser Zeit noch eine Karte mit der Bitte um einen Besuch, da Ficker ihn informiert hatte, dass dieser in Krakau stationiert war. […]
Sehr geehrter Herr!
Sie würden mich zu großem Dank verpflichten, wenn Sie mir die Ehre Ihres Besuches geben würden. Ich bin seit beiläufig 14 Tagen im hiesigen Garnis.Spit. auf der fünften Abteilung für Geistes- und Nervenkranke. Möglicherweise werde ich das Spital in den nächsten Tagen verlassen können um wieder ins Feld zurückzukehren. Bevor darüber eine Entscheidung fällt, möchte ich herzlich gerne mit Ihnen sprechen. Mit den besten Grüßen
Ihr ergebener Georg Trakl
[…] Wittgenstein freute sich darauf: „Wie gern möchte ich ihn kennenlernen.“ Er brauche einen Menschen, mit dem er sich ausreden könne. Das Schiff traf am 5. November 1914 in der Stadt ein. Trakl war seit zwei Tagen tot. […] Zur geläufigen Version wurde bald die Auffassung, Trakl habe sich mit einer Überdosis Kokain vergiftet. […] Mit Trakl starb einer der großen Expressionisten auf dem Gebiet der Lyrik. […] Bezeichnend für seine Lyrik sind Verfall, Dunkelheit und Farbmetaphern. […] Seine Schreibweise ist nicht minder kryptisch, ja entbehrt stellenweise jeder Deutungsmöglichkeit. […] Wittgenstein selbst lernte Trakls Gedichte er nach dessen Tod kennen. “Ich verstehe sie nicht; aber ihr Ton beglückt mich. Es ist der Ton der wahrhaft genialen Menschen.”
Quellen:
http://www.villa-wittgenstein.net/node/19
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=40754
http://www.kulturraumverdichtung.de/georg-trakl-grodek.html
http://www.deutschlandfunk.de/neue-werke-ueber-trakl-zwischen-leben-und-tod-rausch-und.700.de.html?dram:article_id=302182
http://www.literaturnische.de/Trakl/material/wittgenstein.htm
http://www.zeit.de/1989/18/du-wirst-am-ende-verstanden-werden/komplettansicht
http://diepresse.com/home/zeitgeschichte/1512975/Ludwig-Wittgenstein_Jetzt-weiss-ich-dass-wir-hin-sind
http://www.andreherrmann.de/in-gedenken-georg-trakls/
The Labyrinth Of Language: Joyce and Wittgenstein
“Language is a labyrinth of paths. You approach from one side and know your way about; you approach the same place from another side and no longer know your way about.”
~Ludwig Wittgenstein, Philosophical Investigations I, p. 203
ThoughtAndThinking – Mike Harding, Critical Essay, 2008
TheLabyrinthOfLanguage-JoyceAndWittgenstein – David A. White, “J. J. Quarterly”, 1975
Riddles, Silence And Wonder – Thomas C. Singer, ELH, 1990
Finnegan’s Wake:
James Joyce reading ‘Anna Livia Plurabelle’ (1929)
They took it asunder, I hurd thum sigh. When will they reassemble it? O, my back, my back, my bach! I’d want to go to Aches-les-Pains. Pingpong! There’s the Belle for Sexaloitez! And Concepta de Send-us-pray! Pang! Wring out the clothes! Wring in the dew! Godavari, vert the showers! And grant thaya grace! Aman. Will we spread them here now? Ay, we will. Flip! Spread on your bank and I’ll spread mine on mine. Flep! It’s what I’m doing. Spread! It’s churning chill. Der went is rising. I’ll lay a few stones on the hostel sheets. A man and his bride embraced between them. Else I’d have sprinkled and folded them only. And I’ll tie my butcher’s apron here. It’s suety yet.
Natalia, für “Schweigen – Wittgenstein und die Künste”
Assemblage, Gefüge, Rhizom
Sitzung vom 12.Oktober 2015, sandra cubranovic
In Deleuzes und Guattaris Plateau über das Rhizom wird dem dichotomischen Bild des Wurzel-Baums eine neue Denkfigur gegenübergestellt. In der Kritik der beiden Autoren steht die Emanation einer Dialektik, welche durch den Akt der Fragmentierung in einem begrenzten Bild mündet. Die Mannigfaltigkeit ist in dieser klassischen Art des Denkens durch die Binarität ausgeschlossen.
Der Begriff Rhizom ist der Botanik entwendet und bezeichnet eine reich verzweigte unterirdische Struktur von speziellen Pflanzen, ein Wurzelwerk, wobei Wurzel und Trieb nicht unterscheidbar sind.
In „Tausend Plateaus“ steht der Begriff als Metapher für eine Verkettung. Das Rhizom zeigt verschiedene Merkmale auf, wie z.B. die der Konnexion. Punkte eines Rhizoms können und müssen mit jedem anderen Punkt beliebig verbunden werden. Die Organisation besteht nicht aus einer hierarchischen Struktur, sondern setzt sich aus dezentralen und heterogenen Elementen zusammen. Das Prinzip der Mannigfaltigkeit, welches in der binären Denkweise nicht berücksichtigt wird, ist ausschlaggebend in der Ziehung der Fluchtlinie und der Deterritorialisierung. Das Aussen wirkt als Definitionselement, eine imaginäre Linie entsteht – um womöglich gleich wieder durch die segmentierenden Kräfte reterritorialisiert zu werden. Die Fluchtlinie als Bruch des segmentären Gebildes zeigt sich als wuchernde Möglichkeit einer Deterritorialisierung. Verhärtete Strukturen werden aufgelöst, gestört und auseinander getrieben; eine Negation der Reproduktion wird hergestellt. Die Differenz wird sichtbar, der nicht gerasterte Raum wird betreten und erkundet.
Transzendentale Verbindungen an einer Kunsthochschule, welche fähig sind, immer wieder neue Verkettungen zu bilden, welche eine imaginäre Linie schaffen, die die externen und immanenten Grenzen der Institution und Disziplin aufzulösen vermag, könnten rhizomatisch sein.
Quellen:
Gilles Deleuze/Félix Guattari, Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie, Merve Verlag, Berlin 1992

